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15.04.2024 - Unbegleitete minderjährige Ausländer; Altersfeststellung; Handlungsfähigkeit; Notvertretung; Art. 8 EMRK

Datum der Entscheidung
15.04.2024
Aktenzeichen
2 B 330/23
Normen
EMRK Art 8
SGB I § 33a
SGB I § 36
SGB VIII § 42a
SGB VIII § 42a Abs 3
SGB VIII § 42f
SGB X § 11
VwGO § 62 Abs 1
VwGO § 79 Abs 1 Nr 1
Rechtsgebiet
Kinder- und Jugendhilfe- sowie Jugendförderungsrecht
Schlagworte
Altersfeststellung
Handlungsfähigkeit
Jugendamt
Notvertretungsrecht
Prozessfähigkeit
unbegleiteter minderjähriger Ausländer
Vormund
Widerspruchsbescheid
Widerspruchsverfahren
Leitsatz
1. Für die Prozessfähigkeit und die verwaltungsverfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit kommt es nicht auf das vom Beteiligten angegebene Alter an, sondern auf das zur Überzeugung des Gerichts feststehende Alter.

2. § 42a Abs. 3 SGB VIII entzieht einer objektiv volljährigen Person nicht die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit

3. Das Notvertretungsrecht des Jugendamts aus § 42a Abs. 3 SGB VIII genügt den prozeduralen Anforderungen aus Art. 8 EMRK, wenn die Aufgabe der Notvertretung innerhalb des Jugendamts von der Aufgabe der Altersfeststellung personell und organisatorisch getrennt ist und die Notvertretung von Amts wegen unverzüglich darüber informiert wird, dass sich eine Person als unbegleiteter minderjähriger Ausländer gemeldet hat sowie wann und wo die qualifizierte Inaugenscheinnahme stattfinden soll.

4. Die prozeduralen Rechte aus Art. 8 EMRK stehen im Altersfeststellungsverfahren auch Personen zu, die sich als volljährig herausstellen.

5. War die Notvertretung nicht wie geboten in das Altersfeststellungsverfahren eingebunden, liegt dennoch kein Verstß gegen Art. 8 EMRK (mehr) vor, wenn der Betroffene im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten war und ein Widerspruchsbescheid erlassen wurde.