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08.02.2023 - Ausweisung eines Erstverbüßers; Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV; Abschiebungsandrohung; Absehen von einer Ausreisefrist

Datum der Entscheidung
08.02.2023
Aktenzeichen
2 LB 268/22
Normen
AEUV Art 20
AufenthG § 53
AufenthG § 59
AufenthG § 59 Abs 1 S 2 Nr 2
EMRK Art 8
Richtlinie 2008/115 EG Art 7
StGB § 57 Abs 1
Rechtsgebiet
Ausländerrecht
Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis
Abschiebungsandrohung
Ausreisefrist
Ausweisung
Erstverbüßer
Gefahrenprognose
Kindeswohl
Strafaussetzung zur Bewährung
Leitsatz
1. Kümmert sich ein Drittstaatsangehöriger fast täglich mehrere Stunden um seine minderjährigen Kinder, die Unionsbürger sind, und besitzt er zusammen mit dem anderen Elternteil das gemeinsame Sorgerecht, spricht viel für ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. Art. 20 AEUV.

2. Zur ausweisungsrechtlichen Gefahrenprognose bei einem Erstverbüßer nach Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Ausweisung eines im Heimatland aufgewachsenen Ausländers nach 30jährigem Aufenthalt in Deutschland, mit wechselnder Erwerbsbiographie sowie voll- und minderjährigen deutschen Kindern, die teilweise psychisch stark belastet sind, nach der Begehung von erpresserischem Menschenraub und Wohnungseinbruchsdiebstahl. Zu den Reintegrationsmöglichkeiten für albanische Volkszugehörige in Nordmazedonien.

4. Das Absehen von einer Ausreisefrist nach § 59 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AufenthG erfordert eine besondere Dringlichkeit der Gefahr neuer Straftaten des Ausgewiesenen.

5. Wurde dem Ausländer zu Unrecht keine oder eine zu kurze Ausreisefrist gesetzt, ist nicht die Abschiebungsandrohung insgesamt, sondern nur die Fristsetzung bzw. das Absehen von einer Fristsetzung aufzuheben. Daran ist auch unter Geltung der Rückführungsrichtlinie festzuhalten.