Sie sind hier:

18.09.2024 - Ausweisung eines Imam

Datum der Entscheidung
18.09.2024
Aktenzeichen
2 LB 316/22
Normen
AufenthG § 53
AufenthG § 53 Abs 1
AufenthG § 54 Abs 1 Nr 2
AufenthG § 54 Abs 1 Nr 4
AufenthG § 54 Abs 1 Nr 5
EMRK Art 8
Rechtsgebiet
Ausländerrecht
Schlagworte
Al-Nusra
Al-Qaida
Antisemitismus
Ausweisung
Dschihadismus
Einreise- und Aufenthaltsverbot
Erkenntnismitteilungen des Verfassungsschutzes
Freitagsgebet
Gewaltaufruf
Hamas
Hassaufruf
Hassprediger
IKZ
Imam
Islamismus
Mudschahid
Leitsatz
1. Das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt nur derjenige, dessen Handlungen einen konkreten Bezug zu der inkrimierten Tätigkeit einer bestimmten terroristischen Vereinigung haben, wobei es ausreicht, dass sich dieser Bezug jedenfalls für mit den Vereinigungen vertraute Dritte hinreichend sicher feststellen lässt.

2. Die Prüfung, ob ein Ausländer § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt, erfordert eine Gesamtbetrachtung seiner Äußerungen und Aktivitäten. Zu beachten sind dabei nicht nur der Inhalt bestimmter Äußerungen, sondern auch der Kontext und weitere Äußerungsmodalitäten wie beispielsweise der Adressatenkreis und das verwendete Medium. In Bezug auf Äußerungen, deren Bedeutungsgehalt sich dem Gericht nicht ohne besondere - hier islamwissenschaftliche - Fachkenntnisse erschließt, ist die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens möglich.

3. Erkenntnismitteilungen des Verfassungsschutzes sind als schlichte Behördenzeugnisse bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Dabei ist ihr Beweiswert nach den Umständen des Einzelfalls ausgehend davon zu berücksichtigen, dass dann, wenn die Identität der nachrichtendienstlichen Quelle nicht wiedergegeben wird, keine Möglichkeit besteht, die persönliche Glaubwürdigkeit des unbekannt bleibenden Verfassungsschutzmitarbeiters oder -informanten zu überprüfen. Einer weitergehende Sachverhaltsaufklärung bedarf es allerdings nur dann, wenn die den Behördenzeugnissen zu entnehmenden Tatsachen substantiiert bestritten werden.

4. Ein öffentlicher Aufruf zur Gewaltanwendung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 4, 2. Alt. AufenthG setzt ein über bloßes Befürworten oder Gutheißen hinausgehendes, bestimmtes und ernstliches Einwirken auf andere mit dem Ziel voraus, in ihnen den Entschluss zu bestimmten Handlungen hervorzurufen. Dieses Einwirken kann auch durch konkludente Erklärungen erfolgen, solange das Ziel, andere zu Gewalttätigkeiten zu bewegen, eindeutig erkennbar ist.

5. In Abgrenzung zum Gewaltaufruf des § 54 Abs. 1 Nr. 4, 2. Alt. AufenthG, der es für die Tatbestandsverwirklichung genügen lässt, dass das Einwirken auf die Beteiligung an aggressiv gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen oder fremden Sachen gerichtete Handlungen abzielt, ohne dass die Tat selbst konkretisiert werden muss, ist für ein Werben oder Billigen gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2, Alt. 2 lit. c) AufenthG ein größeres Maß an Konkretisierung der in Bezug genommenen Tat erforderlich.